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Amtstierärztin wirbt um Verständnis für Maßnahmen gegen die ASP-Ausbreitung

In einem offenen Brief blickt die Amtstierärztin des Landkreises Oder-Spree, Petra Senger, auf die ersten zwei Monate seit dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest zurück und wirbt bei Bewohnern des Landkreises und Gästen unserer Region eindringlich um Verständnis für die einschneidenden Maßnahmen, die zur Tierseuchenbekämpfung ergriffen werden mussten.

Liebe Bewohner des Landkreises Oder-Spree, liebe Gäste unserer Region, seit genau zwei Monaten versuche ich mit meinen Mitarbeitern im Krisenzentrum des Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamtes des Landkreises Oder-Spree gegen die Ausbreitung des Virus der Afrikanischen Schweinepest in der Wildschweinpopulation zu kämpfen. Es ist eine Mammutaufgabe, die ich in dieser Dimension in meinen 35 Berufsjahren noch nicht erlebt habe. Ich bin dankbar für die Energie und das konsequente, fachlich fundierte Handeln aller meiner Kollegen im Landkreis und im Krisenstab des Landes Brandenburg.

Wir haben bis heute 117 Schwarzwildkadaver gefunden, beprobt, geborgen, epidemiologisch aufgearbeitet und über die Tierkörperbeseitigungsanlage entsorgt. Dabei haben uns hunderte Helfer unterstützt – allen voran die Jäger, die Einstands- und Rückzugsgebiete der Rotten in ihren Jagdgebieten am besten kennen, aber auch Mitarbeiter der Kreisverwaltung und von Landwirtschaftsbetrieben, Fischer an Ufern von Gewässern, Menschen, die Drohnen so gut bedienen können, dass sie selbst in Maisfeldern die Wärmequellen finden, die auf lebende oder verendete Tiere hindeuten und uns so gezielt suchen lassen. Der Polizeihubschrauber war mehrfach im Einsatz, das Technische Hilfswerk mit Suchtrupps und seiner Drohnen- und Wärmebildtechnik, Brandschutzeinheiten der Feuerwehren, die Polizei, die Ordnungsämter der betreffenden Amtsgemeinden, die Bundeswehr, Kadaversuchhunde aus Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein und viele, viele Helfer mehr. Unermüdlich waren sie oft in sehr unwegsamer Landschaft im Einsatz – ich ziehe meinen Hut und sage: DANKE!

Drastische Senkung des Schwarzwildbestandes erforderlich

Trotzt aller Intensität der Fallwildsuche, der raschen Bergung von infizierten Kadavern aus der Natur, der gigantischen Zaunbaumaßnahmen zur vorläufigen und dann zur festen Einzäunung des 1. Kerngebietes im Dorchetal und später des 2. Kerngebietes im Oelsetal ist es bis jetzt nicht gelungen, die Ausbreitung des ASP-Virus zu stoppen. Ursache dafür sind Schwarzwild-Bestände in einer Größenordnung, die sich selbst viele Jäger, die hier in Oder-Spree zu Gast waren, so nicht vorstellen konnten. Der Infektionsdruck aus der osteuropäischen Wildschweinpopulation und zuletzt massiv aus Westpolen ließen eine Infektion in Deutschland immer wahrscheinlicher werden.

Nun ist eine drastische Senkung des Schwarzwildbestandes die wichtigste Maßnahme, um das Seuchengeschehen aufzuhalten. Dazu müssen jagdruhige Methoden als Tierseuchenbekämpfungsmaßnahme zielgerichtet zur Entnahme des Schwarzwildbestandes angewendet werden. Voraussetzung für den Beginn ist der Schluss des inneren und äußeren Festzaunes um ein Kerngebiet, ansonsten droht eine massive Versprengung über die natürliche Wildwanderung hinaus. Das ist für das 1. Kerngebiet so gut wie erreicht, letzte Tore werden noch eingebaut.

Ich bin mir dessen bewusst, dass wir den Menschen in den betreffenden Gemeinden, den Landwirten, den Forstbetrieben, allen anderen Betrieben, die Land- und Forstflächen nicht nutzen dürfen, sehr viel abverlangen, insbesondere nach den herben Einbußen durch coronabedingte Schließungen. Ich bitte Sie alle dennoch um Verständnis – es ist unsere einzige Möglichkeit, dieser Tierseuche Einhalt zu gebieten, das Virus zu verdrängen und in einer Zeitschiene von mindestens einem Jahr nach dem letzten Fallwildfund wieder ASP-frei zu werden. Den Schweinen können wir nicht sagen – haltet Abstand, bleibt zu Hause und schützt eure Familie, Freunde und alle!

Bitte um Verständnis für die einschneidenden Maßnahmen

Wir nehmen diesen Auftrag an und werden alle Kraft in die Umsetzung des Bekämpfungsplanes setzen. Dazu gilt es im Landkreis Oder-Spree jetzt, das Schlaubetal vor der Einschleppung zu bewahren. Wir bitten Sie um Unterstützung, indem Sie die Anordnungen einhalten:

  • Das Kerngebiet nur befahren, wenn es zwingend erforderlich ist!
  • Wald und Flur im Kerngebiet nicht betreten!
  • Die Tierseuchenbekämpfungsmaßnahmen nicht behindern!

Ich weiß, unsere Bachtäler sind wunderschöne Erholungsgebiete, bitte akzeptieren Sie, dass dort in den nächsten Monaten intensive Tierseuchenbekämpfungsmaßnahmen durchgeführt werden. Suchen Sie sich für diese Zeit Alternativen. Der Landkreis Oder-Spree hat viele schöne Seen und Wälder zu bieten. Je intensiver wir arbeiten können, desto wahrscheinlicher wird ein Abreißen der Infektionsketten und damit die Möglichkeit, dass wir zu einer gesunden Schwarzwildpopulation zurückkehren können und vor allem, dass wir die Hausschweinebestände vor einem Übergreifen der Afrikanischen Schweinepest schützen können.

Wir werden weiter regelmäßig über den Fortgang der Bekämpfungsmaßnahmen informieren, bitten um Geduld und ein wenig Einsicht, dass nicht alle Einzelfragen sofort zu klären und zu beantworten sind. Mein Telefonapparat hat heute 1149 nicht entgegengenommene Anrufe aus den letzten Wochen angezeigt und das, obwohl es permanent klingelt und gefühlt mehr als 10.000 Gespräche geführt wurden.

In diesem Sinne – bleiben Sie gesund, wir versuchen es auch, um unsere Kraft in die wirksame Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest setzen zu können.

Ich grüße Sie alle herzlich!

Petra Senger
Amtstierärztin

Datum: 12. November 2020